Diversität ist längst mehr als ein gesellschaftspolitisches Schlagwort. Sie ist ein betriebswirtschaftlicher Faktor – und zwar einer, der im technischen Service über Innovationskraft, Zukunftsfähigkeit und Mitarbeiterbindung entscheidet. Wer heute über Servicequalität spricht, muss auch über Vielfalt sprechen.
Zunächst einmal: Vielfalt beginnt nicht erst beim Thema Rekrutierung, in den meisten Unternehmen und Service-Organisationen ist sie längst da. Service-Teams arbeiten heute häufig international, interdisziplinär und generationenübergreifend. Unterschiedliche Ausbildungen, kulturelle Prägungen, Sprachen, Weltanschauungen oder körperliche Voraussetzungen treffen im Alltag aufeinander. Was oft als Herausforderung wahrgenommen wird, ist in Wahrheit ein enormer strategischer Vorteil – wenn man ihn erkennt und nutzt.
Denn dort, wo Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven zusammenarbeiten, entstehen bessere Ideen. Heterogene Teams entwickeln kreativere Lösungen, weil sie Probleme aus mehr Blickwinkeln betrachten. Sie hinterfragen Selbstverständlichkeiten, die in homogenen Gruppen nie in Frage gestellt würden. Und sie bringen nicht nur Innovation, sondern auch Resilienz: Unterschiedliche Erfahrungen führen dazu, dass man auch in stressigen Phasen flexibler und robuster agieren kann.
Was man dabei immer kalkulieren muss: Vielfalt ist kein Selbstläufer. Wer sie ernst nimmt, muss auch bereit sein, sich mit Reibung auseinanderzusetzen. Unterschiedliche Werte, Kommunikationsstile oder Erwartungen führen zwangsläufig zu mehr Abstimmungsbedarf – und das ist gut so. Denn es zwingt zur bewussteren Zusammenarbeit, zu besserer Kommunikation, zu mehr gegenseitigem Verständnis. Genau diese Auseinandersetzung ist es, die die Qualität eines Teams langfristig stärkt.
Im Servicealltag zeigt sich das besonders deutlich. Außendiensttechnikerinnen und -techniker, die im internationalen Einsatz arbeiten, bereiten wir oft mit interkulturellen Trainings auf Kundentermine vor. Doch viel zu selten richten wir diesen Blick auch nach innen. Dabei ist kulturelle Vielfalt auch in unseren eigenen Teams Realität. Es braucht also nicht nur Schulungen für den Umgang mit externen Kunden, sondern auch ein gemeinsames Verständnis für interne Zusammenarbeit in der Vielfalt. Wer beispielsweise als Produktentwickler in Deutschland sitzt und für Kunden in Japan, Südafrika oder Brasilien Lösungen mitgestaltet, sollte zumindest sensibel sein für Unterschiede – in Märkten, in Sprache, in Erwartungen. Das Gute ist: Diese Sensibilität kann man trainieren.
Entscheidend ist dabei aber die Haltung. Diversität funktioniert nur, wenn die Unternehmenskultur offen ist – wenn Menschen keine Angst haben müssen, wegen ihrer Herkunft, ihres Alters, ihrer sexuellen Identität oder ihrer Behinderung diskriminiert zu werden. Hier kann der Service eine Menge leisten, aufgrund seiner Grundvoraussetzungen, seiner Offenheit und seiner Vielzahl von Kontakten. Die Servicekultur lässt sich nutzen, in einem Transfer zur Unternehmenskultur.
Das sind dann aber tiefgreifende Prozesse in einer Organisation, die auch die Führung betreffen. Inklusives Leadership bedeutet, bewusst Räume zu schaffen, in denen Menschen sich zeigen und einbringen können, ohne in Schubladen gesteckt zu werden. Das beginnt bei Sprache, geht über Perspektivwechsel im Alltag und reicht bis zur aktiven Beteiligung an Entscheidungsprozessen.
Die gute Nachricht ist also: Vielfalt ist oft schon da – man muss nur genauer hinschauen. In vielen Serviceorganisationen wird bereits divers gedacht und gearbeitet, ohne dass es explizit so genannt wird. Wer sich die Mühe macht, das sichtbar zu machen, entdeckt schnell gute Ansätze, auf denen man aufbauen kann. Und genau das ist der erste Schritt: nicht mit einer Vision vom ganz großen Wandel starten, sondern mit dem, was schon da ist. Bewusstsein schaffen, reflektieren, Mitarbeitende einbeziehen, erste Maßnahmen umsetzen – pragmatisch und schrittweise.
Denn Vielfalt lässt sich nicht verordnen. Sie entsteht aus Überzeugung – und aus Erfahrung. Unternehmen, die Vielfalt ernst nehmen, erleben, wie sich ihre Teams verändern. Wie die Loyalität wächst, wie neue Talente sich angesprochen fühlen, wie die Servicequalität steigt. Und wie sie als Arbeitgeber relevant bleiben in einem Markt, in dem Menschen heute genau hinschauen, wo und wie sie arbeiten wollen.
Diversität im Service ist also keine Zusatzaufgabe. Sie ist der Schlüssel zu besserer Zusammenarbeit, besserem Kundenverständnis und besserem Geschäft.
Autor: Michael Braun, KVD Redakteur