Skip to main content
search

Offene Grenzen, Globalisierungsbewegungen in Gesellschaft und Wirtschaft, grenzübergreifende Kooperations- und Forschungsprojekte – die Internationalisierung des Service ist in vielen Bereichen zu spüren. Unternehmen können sich nicht nur auf einen regionalen oder nationalen Markt konzentrieren, sondern müssen sich weltweit öffnen. Doch wie geht man als Service-Manager:in hier am geschicktesten vor? Und wie arbeitet man mit den sich abzeichnenden Veränderungen, die sich gerade international durch die Digitalisierung ergeben? In der Serie „Internationales Service-Management“ werden Service-Organisationen mit einem multinationalen Blick vorgestellt. Im Mittelpunkt stehen neue Strategien und länderspezifische Besonderheiten, die sich im täglichen Service-Geschäft ergeben. In dieser Ausgabe spricht Service Today-Redakteur Michael Braun mit Michael Kübel, Global Vice President Service bei Bruker Corp., über die besonderen Herausforderungen in einem Service-Umfeld für hochspezialisierte Geräte und Lösungen – und ungewöhnliche Einsatzorte für den Service wie die Zugspitze.

Das Interview

/ Michael Braun

Bruker bietet hochdifferenzierte Lösungen für die Life-Science-Forschung, Analytik und Diagnostik in unterschiedlichsten Industrien und Forschungseinrichtungen. Was ist Ihre Rolle und wie ist Ihr Unternehmen dabei konkret im Servicebereich aufgestellt?

/ Michael Kübel

Innerhalb des Konzerns bin ich für den weltweiten Service in vier unserer Divisionen verantwortlich. Diese sind in einer übergeordneten Struktur, die wir CALID nennen, organisiert. Das ermöglicht uns, Synergien zwischen den Divisionen zu nutzen. Bruker CALID organisiert den Service in einer Matrix: Die vier Divisionen des Unternehmens sind eigenverantwortlich für Forschung, Entwicklung, Produktmanagement und Vertrieb, während der Service als horizontale Einheit über alle 4 Divisionen übergreifend agiert. Wir sind ein global agierendes Unternehmen mit einer sehr vielfältigen Kundenbasis. Dazu gehören Medizinische Einrichtungen, Pharmaforschung, Labore für Lebensmittel aber auch Forensik, Universitäten bis hin zu Flughafen Sicherheitsorganen etc. Unsere Produktpalette reicht von kompakten Laborgeräten bis hin zu raumfüllenden Spezialsystemen. Manche unserer Installationen sind weltweit einzigartig – etwa unser Massenspektrometer auf der Zugspitze, der mit Infrarottechnik Gaskonzentrationen in den Schichten der Atmosphäre messen kann und diese mit Satelliten Daten in kombiniert. Neben der technischen Komplexität unserer Produkte liegt die  Herausforderung in den oft sehr unterschiedlichen Kundenanforderungen, den zum Teil kleinen Stückzahlen von Spezialsystemen, aber auch dem Verstehen, was der Kunde eigentlich mit unseren Produkten macht. Service ist ein wichtiger Differenzierungsfaktor und für viele unserer Kunden entscheidungsrelevant. Labor Dienstleister rechnen oft pro gemessener Probe ab, steht das Gerät still, leidet die Wirtschaftlichkeit. Noch kritischer ist es beispielsweise in medizinischen Einrichtungen, wo ein Störfall unter Umständen wichtige Diagnosen für Patienten verzögert. Damit hat ein schneller und technisch nachhaltiger Service eine hohe Bedeutung für den Erfolg unserer Divisionen. Wir sehen uns hier in der Pflicht, nicht den Service für sich selbst, bspw. hinsichtlich Profitabilität zu optimieren, sondern den Erfolg unserer Divisionen aktiv zu unterstützen.

/ Michael Braun

Wie groß ist die Organisation?

/ Michael Kübel

Bruker CALID beschäftigt weltweit rund 500 Service-Mitarbeiter. Was uns von anderen Branchen unterscheidet, ist unter anderem der hohe Akademikeranteil unter unseren Servicetechnikern. Wir haben im Service eine regionale Struktur, wobei ein Großteil der Feldservice-Mitarbeiter Produkte mehrerer Divisionen abdeckt. Wir nennen das „cross-enablement“ und das verbessert natürlich unsere Effizienz und sichert schnelle Response auch in Gebieten mit geringerer Gerätedichte. Es macht zudem auch die Aufgabe für unsere Teams anspruchsvoller und noch vielfältiger. Zudem setzen wir natürlich auf Synergien in unseren Zentralbereichen und der Führung: Statt vier separater Serviceleiterpositionen je Geo-Region gibt es beispielsweise für EMEA oder Americas nur einen und auch die Struktur darunter verzichtet auf regionale Überlappung. Auch in der Zentrale arbeiten wir stets so divisionsübergreifend wie möglich.

/ Michael Braun

Wir sprechen also über ein Spannungsfeld aus Synergien und Spezialisierung im globalen Service?

/ Michael Kübel

Genau hier liegt eine unserer größten Herausforderungen. Ich erwähnte ja schon, dass unsere Kundendiensttechniker und Support-Spezialisten in der Regel eine akademische Ausbildung, zum Teil sogar mit Promotion haben. Dazu kommt, dass Kundendiensteinsätze in der Mehrzahl der Fälle mehrtägig sind – insbesondere bei Geräten, die mit Hochvakuum arbeiten. Allein das Wiederherstellen eines stabilen Vakuums kann bis zu 24 Stunden in Anspruch nehmen. Aber auch komplexe Installationen können schon mal eine Woche dauern. Dazu kommt oft aufwändige Reisetätigkeit. Die Zugspitze ist da eher ein geringeres Problem – einige unserer Systeme stehen an entlegenen Orten oder in Krisengebieten. Die Komplexität der Technologie aber auch der spezifischen Anwendung macht zudem die Komponente „Erfahrung“ neben der reinen „Qualifikation“ zu einem nicht zu unterschätzenden Faktor. Das bedeutet für uns, dass wir absolut konsequent sondieren müssen ob und wen wir mit welcher Priorität zu einem Störfall schicken. So wird jeder Fall zunächst an ein global agierendes Remote Solution Team geroutet. Wir haben in der Abteilungsbezeichnung hier bewusst „Solution“ verwendet, weil das Ziel hier die Lösung von Problemen ist. In vielen Fällen können wir uns direkt auf das Kundensystem schalten und das Problem identifizieren und oft lösen. Bei einigen Produkten gelingt uns das in mehr als 3/4 der Fälle. Da dies nicht nur kostengünstiger, sondern für den Kunden auch mit geringer Downtime verbunden ist, haben wir in den letzten Jahren erheblich in dieses Team und auch in Technologie investiert. Sollte ein Fall dort nicht gelöst werden, ist er zumindest soweit eingegrenzt, dass der richtige Skill disponiert und die erforderlichen Ersatzteile definiert und direkt zum Kunden geliefert werden, um eine hohe Sofortlösungsquote vor Ort sicherzustellen.

/ Michael Braun

Und der Service ist naturgemäß immer nah am Kunden …

/ Michael Kübel

… er ist der Schlüssel zur Kundenbindung und damit zum langfristigen Erfolg! Wir sind oft der wichtigste Kontaktpunkt für unsere Kunden über den Lebenszyklus eines Produkts hinweg. Neben unseren Servicetechnikern spielen dabei auch unsere Applications Spezialisten, Mitarbeiter der Technischen Teams im Werk und auch die Produktmanager eine wichtige Rolle. Bei sehr komplexen Problemen arbeiten wir systematisch hand-in-hand. Wir nennen das „Eskalation“ – auch wenn ich mit der im Deutschen negativen Assoziation des Begriffs nicht glücklich bin. Ich sehe die „Eskalation“ eher als etwas Positives, weil es für uns bedeutet, dass wir einem komplexen Problem die volle Aufmerksamkeit und Kompetenz des erweiterten Teams und Teilen des Managements geben – und das in einer sehr strukturierten Form und mit lückenloser Dokumentation. Diese hilft uns auch im Anschluss einen sogenannten “Lessons Learned” Prozess zu durchlaufen, aus dem wir wertvolle Erkenntnisse in der gesamten Wertschöpfungskette ableiten. Seit wir diesen Prozess neu aufgesetzt haben, hat sich die Zahl der „Eskalationen“ erhöht – und das ist gut so. Vielleicht finden wir auch noch einen besseren Begriff dafür.

/ Michael Braun

Spezialanlagen klingt aber auch nach hohem Innovationsdruck …

/ Michael Kübel

Ja, absolut – Bruker versteht sich ausdrücklich als innovationsführendes Unternehmen. Unser Anspruch ist es, an der Spitze technologischer Entwicklungen zu stehen. Das bedeutet, dass unser Service mit einer sehr hohen Dynamik zurechtkommen muss – sowohl bei der schnellen Einführung neuer Produkte als auch bei Upgrades bestehender Geräte. Viele unserer Systeme sind so konzipiert, dass sie mit neuen Technologien nachgerüstet werden können, um Investitionssicherheit für unsere Kunden zu gewährleisten. Gleichzeitig erfordert das für den Service ein hohes Maß an Flexibilität, da neue Produkte und erworbene Technologien schnell integriert werden müssen.

/ Michael Braun

Damit muss das Wissen in der Serviceorganisation Schritt halten. Wie gehen Sie mit dieser Herausforderung um?

/ Michael Kübel

Diese Dynamik stellt natürlich hohe Anforderungen an unsere Servicetechniker. Sie müssen technisches Verständnis für unsere Ge-räte haben – Hardware und Software. Gleichzeitig müssen sie zumindest ein Grundverständnis für die Anwendungen unserer Kunden mitbringen – sei es in der pharmazeutischen Forschung oder der Lebensmittelanalyse oder den anderen genannten vielfältigen Gebieten. Ein zentraler Fokus unserer zukünftigen Entwicklung ist auch deswegen der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Service. Sie können sich vorstellen, dass einige unserer Spezialgeräte nur in sehr geringen Stückzahlen existieren, nehmen Sie beispielsweise die Installation auf der Zugspitze. Hier kommt generativer AI im Wissensmanagement eine hohe Bedeutung zu. Unser Ziel ist es, durch KI-generierte Lösungen schneller und gezielter auf Serviceanfragen zu reagieren. Wir arbeiten aktuell an KI-gestützten Systemen, die relevante Informationen aus verstreuten Dokumentationen intelligent zusammenführen. Unser Problem ist nicht, dass das Know-how fehlt – sondern dass es verteilt auf zahlreiche Quellen ist und so nicht immer auf Knopfdruck abrufbar ist. Wir testen derzeit verschiedene KI-Lösungen, die es ermöglichen, technische Dokumentationen, zurückliegende Servicefälle und Expertenwissen effizient zu verknüpfen. Zudem pilotieren wir derzeit den Einsatz von Augmented bzw. Mixed Reality Brillen, um Techniker vor Ort noch besser zu unterstützen. Dies ist vor allem an schwierig zu erreichenden Einsatzorten sinnvoll – sei es in Hochsicherheitslaboren oder in Ländern mit Reisebeschränkungen.

/ Michael Braun

Und Sie agieren in diesem Zusammenhang mit eigenen Service-Technikern, oder auch mit externen Partnern?

/ Michael Kübel

Unser Geschäftsmodell setzt stark auf eigene Service-Techniker. Zwar gibt es in einigen Ländern Distributoren, die auch Serviceleistungen erbringen, doch das Gros unserer technischen Betreuung erfolgt durch eigene Mitarbeiter. Das liegt vor allem an der Komplexität unserer Produkte. Nah am Kunden zu sein, hilft uns zudem Kunden besser zu verstehen und auch ein engmaschiges Qualitätsmanagement zu betreiben. Zudem bedeutet eigener Service für uns auch ein profitables Geschäft über den gesamten Lebenszyklus.

/ Michael Braun

Sie haben die Serviceleistungen angesprochen – gibt es hierfür einen eigenen Vertrieb bei Bruker?

/ Michael Kübel

Ja – und auch beim Dienstleistungsvertrieb wird die enge Zusammenarbeit zwischen den Divisionen und dem Service sichtbar: während ein großer Teil der Geschäftsabschlüsse der Divisionen bei Neugeräten bereits einen Wartungsvertrag beinhaltet, akquiriert unser Service Team nahezu alle Vertragsverlängerung sowie Neuverträge bspw. nach Ablauf der Garantie. Wir arbeiten dort datenbasiert und können gezielt Kunden ansprechen, die von einem Vollwartungsvertrag bspw. mit 48h Response profitieren können.

/ Michael Braun

Daraus würde ich schließen, dass auch Service-Techniker verschiedene Rollen im Vertriebskonstrukt übernehmen können …

/ Michael Kübel

… ja, wir arbeiten daran, unsere Servicetechniker noch stärker in den Vertrieb zu integrieren. Sie genießen eine hohe Glaubwürdigkeit bei unseren Kunden und können wertvolle Hinweise darauf geben, wo Upgrades oder Serviceverträge sinnvoll wären. Mit den Divisionen haben wir beispielsweise auch bestimmte Programme, um Techniker für sogenannte „Leads“ für Neuprodukte oder Upgrades zu incentivieren.

/ Michael Braun

Ist es denn generell eine Herausforderung für Sie, Techniker zu finden?

/ Michael Kübel

Ja, jedoch nicht in dem Maße, wie ich es von meinen Kollegen im KVD aus anderen Branchen höre. Das hängt sicher auch mit unserer hohen Spezialisierung und dem interessanten wie herausfordernden Arbeitsumfeld zusammen – das macht unsere Stellen für Techniker attraktiv und hält die Fluktuation gering. Zudem ist Bruker ein sehr positiv besetzter Name in unserer Industrie und im universitären Umfeld. Dabei ist Diversity jedoch eine Herausforderung für uns. Der Frauenanteil im technischen Service ist branchenweit niedrig und wir sehen hier sowohl gesellschaftlich als auch wirtschaftlich gute Argumente, aktiv eine bessere Balance zu schaffen.

/ Michael Braun

Wie wollen Sie das umsetzen?

/ Michael Kübel

Wir stellen beispielsweise sicher, dass unsere Stellenausschreibungen keine unnötigen Hürden für weibliche Bewerberinnen enthalten. Wir haben gelernt, dass Frauen sehr viel genauer die Job-Anforderungen studieren und sich im Zweifel eher zurückhaltender selbst einschätzen als Männer. Zudem wollen wir ein Arbeitsumfeld schaffen, das für Frauen genauso attraktiv ist wie für Männer – insbesondere mit Blick auf Themen wie flexible Arbeitsmodelle und Sicherheit bei Reisetätigkeiten. Ein Aspekt ist es auch, Frauen gezielt in Führungspositionen zu entwickeln, um einen Multiplikatoreffekt zu erzielen.

/ Michael Braun

Zum Schluss noch ein Blick in die Zukunft – wie fassen Sie dazu Ihre Strategie in einem Satz zusammen?

/ Michael Kübel

Proaktiver, intelligenter Service, der den Kundenerfolg im Fokus hat. Nach innen geschaut bedeutet das noch stärkere Automatisierung und Wissensmanagement. Nach außen gesehen sind das datenbasierte Services, die sich noch stärker auf den Kunden ausrichten. Gleichzeitig sehen wir in der noch engeren Verzahnung von Service und Vertrieb eine große Chance, unser Geschäft weiterzuentwickeln.

Close Menu