Skip to main content
search

Künstliche Intelligenz verändert den Arbeitsmarkt und könnte die Chancen zwischen jungen Talenten und erfahrenen Fachkräften massiv verschieben: Während Tech-Konzerne aktuell bereit sind, KI-Spezialisten mit teils astronomischen Gehältern zu gewinnen, wächst die Sorge, dass klassische Einstiegsjobs zunehmend wegfallen. Schließlich könnte generative KI zunehmend einfache Aufgaben übernehmen, die bislang häufig von Berufseinsteigern erledigt wurden. Eine aktuelle Analyse der weltweit größten Jobseite Indeed in den USA liefert nun belastbare Daten zu dieser Entwicklung. Demnach haben es junge Talente im Tech-Sektor bereits jetzt schwerer, in der Branche Fuß zu fassen.

Junior-Stellen besonders stark von Job-Rückgang betroffen

Für die Analyse hat Indeed Stellenmarktdaten zu Tech-Jobs in den USA zwischen Januar 2020 und Februar 2025 ausgewertet. Als größter Tech-Markt mit der höchsten Dynamik und Datenverfügbarkeit gibt die US-Wirtschaft globale Trends häufig vor, insbesondere im Bereich generativer KI. Dementsprechend lässt sich der potenzielle Einfluss auf Einstiegsjobs dort besonders frühzeitig beobachten. Um auch die Entwicklungen in Deutschland besser einordnen zu können, hat Indeed zusätzlich deutsche Stellenmarktdaten aus den Bereichen Softwareentwicklung sowie IT-Infrastruktur und -Support ausgewertet. Die Untersuchung zeigt: Während des Tech-Booms zwischen 2020 und Mitte 2022 stieg die Zahl der Stellenausschreibungen in der Branche rasant an und verdoppelte sich sogar zeitweise. Seitdem hat sich das Marktumfeld jedoch deutlich abgekühlt. Der globale wirtschaftliche Abschwung traf den gesamten US-Arbeitsmarkt, besonders stark aber die Tech-Branche. Aktuell liegt die Zahl der ausgeschriebenen Tech-Stellen wieder unter dem Vor-Corona-Niveau. Besonders betroffen: Einstiegsjobs. Während sich die Anzahl der Stellenausschreibungen für Tech-Fachkräfte mit mehr als fünf Jahren Berufserfahrung seit 2020 nur um 19 Prozent verringerte, ist die Zahl der Junior-Positionen im gleichen Zeitraum um 34 Prozent eingebrochen. In Deutschland zeichnet sich ein vergleichbares Bild ab. So liegt die Zahl der Junior-Stellen in der Softwareentwicklung derzeit um 54 Prozent unter dem Wert von 2020. Senior-Positionen gingen im selben Zeitraum lediglich um 15 Prozent zurück.

Erfahrung zählt: Nachfrage nach Tech-Fachkräften verschiebt sich

Im Bereich IT-Infrastruktur und -Support wird diese Entwicklung sogar noch deutlicher: Während Junior-Stellen um mehr als 40 Prozent seltener ausgeschrieben werden als noch 2020, hat sich die Zahl der Senior-Positionen in diesem Bereich um 27 Prozent erhöht. Dass Unternehmen zunehmend auf erfahrene Tech-Fachkräfte setzen, zeigt sich auch beim Blick auf die geforderten Berufserfahrungen in US-Stellenausschreibungen. Zwischen dem zweiten Quartal 2022 und dem zweiten Quartal 2025 stieg der Anteil von allen Tech-Stellenanzeigen, die mindestens fünf Jahre Erfahrung voraussetzen, von 37 auf 42 Prozent. Zum Vergleich: In anderen Berufsfeldern wie Marketing oder Human Resources sank der Anteil der Stellen für Fachkräfte mit mehr als fünf Jahren Erfahrung im selben Zeitraum von 15 auf 11 Prozent. Dass diese Entwicklung zuerst im Tech-Sektor sichtbar wird, könnte womöglich auf den frühen und umfassenden KI-Einsatz in der Branche zurückzuführen sein. Auffällig bei dieser Entwicklung ist zudem der zeitliche Zusammenhang: Während die Zahl der Tech- Stellen bereits seit Mitte 2022 zurückging, stiegen die Anforderungen an Berufserfahrung erst Anfang 2023, also kurz nach der Veröffentlichung von ChatGPT-3. Parallel dazu legten KI-nahe Jobprofile wie Machine Learning Engineers deutlich zu: Im Vergleich zu 2020 stieg die Zahl entsprechender Ausschreibungen um 56 Prozent. Mit einem Mediangehalt von rund 260.000 US-Dollar zählen diese Jobs zudem mittlerweile zu den bestbezahlten der gesamten Branche.

KI könnte auch Einstiegsjobs in Deutschland gefährden

“Der Stellenmarkt im US-Tech-Sektor liefert erste Evidenz dafür, dass Einstiegsjobs stärker vom Wandel durch KI betroffen sind als Stellen für Berufserfahrene. So ist der Rückgang bei Tech-Jobs mit geringen Erfahrungsanforderungen ausgeprägter als bei Rollen für erfahrene Fachkräfte. Viele Berufseinsteiger tun sich derzeit schwer, überhaupt einen Job zu finden. Gleichzeitig sehen wir, dass spezialisierte und KI-nahe Berufe mittlerweile nicht nur zu den wachstumsstärksten, sondern auch zu den bestbezahlten in der Tech-Branche zählen”, kommentiert Dr. Virginia Sondergeld, Ökonomin und Arbeitsmarktexpertin von Indeed. Sie ergänzt: “Die ersten Zahlen aus der deutschen Tech-Branche legen nahe, dass der Einsatz von KI auch hier eine Rolle beim Rückgang von Einstiegsjobs spielen könnte. Über diese erste Evidenz hinaus braucht es allerdings weitere Forschung, um den kausalen Zusammenhang zwischen der Ausbreitung von KI und der Entwicklung von Einstiegsjobs von konjunkturellen Faktoren zu separieren und auf andere Branchen zu verallgemeinern. Doch schon jetzt werden die möglichen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sichtbar: Gerade für junge Talente dürfte der Wettbewerb um Einstiegsmöglichkeiten zunehmen. Klar ist aber auch: Ohne Berufseinsteiger von heute fehlen die Fachkräfte von morgen. Der demografische Wandel wird in den kommenden Jahren viele erfahrene Mitarbeitende aus dem Arbeitsmarkt abziehen. Umso wichtiger ist es, jungen Talenten den Einstieg zu ermöglichen und langfristige Entwicklungsperspektiven zu bieten. Unternehmen, auch in Deutschland, müssen sich daher fragen, wie sie Effizienzgewinne durch den Einsatz von KI realisieren können, ohne dabei den eigenen Nachwuchs aus dem Blick zu verlieren.”

ServiceToday Ausgabe 4/25 kostenpflichtig lesen
Close Menu