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„KI im Service“ – ist das ein must have? Haben wir in der ServiceToday mit einem Themenheft zu KI vor einem Jahr gefragt. Jetzt können wir die Frage klar beantworten: Es IST ein must have, sich mit KI auseinander zu setzen. Denn Künstliche Intelligenz ist im Arbeitsalltag angekommen: Laut einer aktuellen adesso-Studie nutzen bereits über 30 Prozent der deutschen Führungskräfte GenAI-Tools täglich. Gleichzeitig zeigt der aktualisierte Gartner Hype Cycle auf, dass „KI-Agenten“ als digitale Kollegen gerade zum Trendthema avancieren. Doch zwischen Euphorie und Ernüchterung bleibt die Frage: Welche Technologien bringen echten Nutzen – und wo lauern rechtliche wie organisatorische Risiken? Hinzu kommt die tiefgreifende Veränderung des Arbeitsmarktes: Renommierte Forscher aus Harvard und Stanford zeigen, dass vor allem Berufseinsteiger unter Druck geraten. Zeit, diese drei Bewegungen zu KI zu sortieren – Stand der Nutzung, Rolle der Agenten, Auswirkungen auf Jobs – und zu zeigen, worauf Unternehmen im technischen Service achten sollten.

KI – Vom Spielzeug zur Produktivitätsmaschine

Es ist noch gar nicht so lange her, dass Anwendungen wie ChatGPT als digitales Spielzeug galten – nützlich für eine pfiffige Geburtstagsrede oder die schnelle Übersetzung, aber kaum als Werkzeug für den Ernstfall im Unternehmen. Doch diese Zeiten sind längst vorbei, wie die Praxisbeobachtungen in vielen Organisationen zeigen, aber auch aktuelle Untersuchungen. Wie der „GenAI Impact Report 2025“ des KVD Partners adesso zum Beispiel – der zeigt eindrucksvoll, wie tief sich die Technologie in den Alltag von Führungskräften eingeschrieben hat. Was steht im Report? Mehr als 30 Prozent der Befragten in deutschen Unternehmen nutzen inzwischen täglich generative KI, weitere 28 Prozent sogar mehrmals am Tag. Die Effekte sind messbar: Durchschnittlich sparen die Anwender 146 Minuten pro Woche, ein Zuwachs von über 30 Prozent gegenüber 2024. Das sind zweieinhalb Stunden, die nicht mehr in Routineaufgaben versanden, sondern für Wertschöpfung, Kundenkontakt oder schlicht für einen etwas kürzeren Arbeitstag genutzt werden können. Besonders groß ist das Potenzial in den IT- und Serviceabteilungen. Dort, wo strukturierte und regelbasierte Prozesse dominieren, lassen sich ganze Aufgabenbündel automatisieren. 60 Prozent der IT-Verantwortlichen erwarten, dass künftig mindestens ein Drittel ihrer Aufgaben durch generative KI übernommen wird. Im Service liegt dieser Wert bei immerhin 51 Prozent. Und die Stimmung ist bemerkenswert positiv: 91 Prozent des Top-Managements sehen in GenAI eine Chance für das eigene Geschäftsmodell. An der strategischen Ebene mangelt es also nicht an Zuversicht. Die Skepsis hat nachgelassen, die Zufriedenheit mit den Ergebnissen der verbreiteten Tools ist sprunghaft gestiegen. Dabei zeigt sich, dass generative KI im Einsatz in erster Linie noch nicht als Jobkiller wirkt. Viele Unternehmen haben ihre Personalplanung bisher kaum angepasst. Statt massenhaft Stellen zu streichen, werden Aufgaben neu verteilt – Routine wandert zur Maschine, komplexere Tätigkeiten bleiben beim Menschen. Kurz gesagt: Noch ist die KI eher ein Turbo für Effizienz als eine Abrissbirne für Beschäftigung. Doch der Arbeitsmarkt gerät schon in Bewegung, durch KI unter Druck, aber dazu später mehr.

KI-Agenten – vom Hype bis zum errechneten ROI

Während GenAI-Tools längst im Alltag angekommen sind, schickt sich ein neuer Stern am KI-Himmel an, die Schlagzeilen zu dominieren: die sogenannten KI-Agenten. Laut Gartner zählen sie zu den beiden wichtigsten Innovationen im Jahr 2025. Doch was genau steckt dahinter? Während Chatbots in erster Linie reden und Assistenten Vorschläge machen, sollen Agenten eigenständig handeln. Sie bestellen Material, prüfen Verträge, buchen Termine oder lösen Serviceaufträge aus – ohne dass jedes Mal ein Mensch den Knopf drücken muss. Sie wirken damit wie digitale Mitarbeitende, die Prozesse nicht nur begleiten, sondern tatsächlich ausführen. So faszinierend das klingt, so groß ist aktuell noch die Ernüchterung beim Blick auf die Realität. Gartner prognostiziert, dass mehr als ein Drittel aller Agenten-Projekte in den nächsten Jahren scheitern wird. Die Gründe: hohe Kosten, fehlender Return on Investment und vor allem die unterschätzte Komplexität. Viele Unternehmen springen auf den Hype auf, ohne genau zu wissen, welches Problem sie eigentlich lösen wollen. Hinzu kommt das Phänomen des „Agent Washing“. Anbieter verkaufen klassische Chatbots oder RPA-Lösungen kurzerhand als Agenten, obwohl diese weder eigenständig planen noch komplexe Aufgaben bewältigen können. Gravierend sind auch die rechtlichen Fragen. Während Chatbots und Assistenten rechtlich gut verortet sind, betreten Agenten Neuland. Sie verfügen über deutlich mehr Autonomie – und damit steigt die Unsicherheit. Was passiert, wenn ein Agent falsche Entscheidungen trifft? Wer haftet, wenn Verträge unzulässig geschlossen oder Daten unsachgemäß verarbeitet werden? Klar ist: Der Agent selbst ist kein Rechtssubjekt. Alles, was er tut, wird dem Unternehmen zugerechnet, das ihn einsetzt. „Der Agent war’s“ ist keine Entschuldigung. Die Konsequenz kann nur sein: Unternehmen müssen klare Leitplanken einziehen. Rollen- und Rechtemanagement, Freigabeschleifen, Logging und ein „Kill Switch“ sind keine Kür, sondern Pflicht. Ein Einkaufsagent darf Bestellungen bis zu einer bestimmten Summe selbst auslösen, alles darüber braucht menschliche Freigabe. Spätestens wenn es um Kreditwürdigkeitsprüfungen oder Compliance-Fragen geht, ist Schluss mit Autonomie. Dann spielt übrigens auch der EU AI Act eine Rolle – den darf man bei allem natürlich nicht aus den Augen verlieren. Damit wird aber erstmal deutlich: KIAgenten sind keine Science-Fiction, aber auch keine Wundertäter. Sie sind Werkzeuge mit einem definierten Autonomiegrad – und genau so sollten sie verstanden und implementiert werden.

Der Arbeitsmarkt im KI-Stresstest

Wie war das jetzt nochmal mit den Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt? Wie bei jeder neuen Welle fallen auch beim Thema KI die gleichen Berufsfelder in den Fokus, die potenziell schnell ersetzt werden könnten. Legt man die Vorhersagetabellen von Automatisierungs-, Digitalisierungs- und KI-Welle übereinander, wird man viele Parallelen finden. Doch schon bei den ersten beiden Wellen haben wir gemerkt. In der Praxis kommt‘s mitunter anders. So auch jetzt – und der Fokus fällt nicht auf bestimmte Berufe, sondern etwas überraschend auf die Level derjenigen, die diese Jobs bekleiden. Denn was aktuelle Studien zeigen: Vor allem Berufseinsteiger geraten unter Druck. Eine Studie der Harvard University zeigt, dass Unternehmen, die generative KI einsetzen, 40 Prozent weniger Junior-Mitarbeiter einstellen. Indeed kommt zu ähnlichen Ergebnissen: Die Zahl der Junior-Stellen in der Softwareentwicklung liegt 2025 um 54 Prozent unter dem Wert von 2020. Senior-Positionen sind dagegen vergleichsweise stabil. Und eine Stanford-Studie liefert zusätzliche Evidenz: Seit Ende 2022 sind die Beschäftigungszahlen für 22- bis 25-Jährige in KI-exponierten Berufen wie Softwareentwicklung oder Kundenservice massiv eingebrochen, während ältere Arbeitnehmer in denselben Berufen weiter profitieren. Die Mechanik dahinter ist nachvollziehbar: KI automatisiert vor allem kodifizierbare Routineaufgaben – genau jene Tätigkeiten, die traditionell Berufseinsteiger übernehmen. Senior-Fachkräfte dagegen verfügen über Erfahrungswissen, Kundenkontakte und Urteilsfähigkeit, die nicht so leicht zu ersetzen sind. Die Folge ist eine paradoxe Situation: Wer bereits im Unternehmen ist, profitiert von schnelleren Beförderungen, weil die mittleren Ebenen dünner werden. Wer jedoch von außen kommt, hat es schwerer denn je, den Fuß in die Tür zu bekommen. Besonders betroffen sind Branchen mit vielen Routineaufgaben – Einzelhandel, Großhandel, IT-Support. Die Konsequenzen sind langfristig brisant. Wenn die „untersten Sprossen“ der Karriereleiter verschwinden, drohen dauerhafte Einbußen bei Lohnwachstum und sozialer Mobilität. Ohne Berufseinsteiger von heute fehlen zudem die Fachkräfte von morgen. Da muss man unweigerlich an den Satz denken „Lehrjahre seien keine Herrenjahre.“ Heute droht eher: keine Lehrjahre, keine Fachkräfte von morgen.

Was das für den technischen Service heißt

Für Fach- und Führungskräfte im technischen Service ist das mehr als eine theoretische Diskussion. Der Servicebereich ist geprägt von klar strukturierten Abläufen – Ticketannahme, Disposition von Ersatzteilen, Wartungsplanung, Dokumentation. Genau hier liegen die größten Chancen für KI. Generative KI kann heute schon Standardtexte erstellen, Anfragen vorsortieren oder Fehlerberichte zusammenfassen. In Zukunft könnten Agenten eigenständig Ersatzteile bestellen oder präventive Wartungstermine einplanen. Doch Vorsicht: Der Schritt vom Helfer zum Handelnden ist groß. Wer Agenten in seine Systeme lässt, muss deren Handlungsspielraum klar definieren. Rechtliche, organisatorische und technische Leitplanken sind unerlässlich. Ein fehlgeschlagener Agenteneinsatz kann teurer werden als der manuelle Prozess, den er ersetzen sollte. Gleichzeitig darf das Personalthema nicht vernachlässigt werden. Auch im Service braucht es Berufseinsteiger, die das Geschäft von der Pike auf Lernen. Wenn alle Routinejobs verschwinden, fehlen langfristig die Experten. Unternehmen müssen also neue Einstiegs und Lernpfade schaffen – etwa durch Traineeprogramme, projektbasierte Einstiege oder gezielte Mentoring-Modelle.

Ich sehe da vor allem drei Handlungsempfehlungen für den Service:

  1. Technologie: Pilotieren Sie neue Anwendungen, messen Sie den Nutzen und scheuen Sie sich nicht, Prozesse grundsätzlich neu zu denken.
  2. Recht: Klären Sie Verantwortlichkeiten, dokumentieren Sie Entscheidungen und prüfen Sie Compliance-Themen frühzeitig.
  3. Menschen: Halten Sie die Türen für Nachwuchskräfte offen, investieren Sie in Weiterbildung und schaffen Sie attraktive Karrierepfade.

Klar machen sollte man sich in der gesamten Diskussion immer: Künstliche Intelligenz ist weder Allheilmittel noch Jobvernichter per se. Sie ist ein Werkzeug – so mächtig, wie wir es gestalten. Für den technischen Service gilt: Wer nüchtern Chancen nutzt, rechtliche und personelle Fragen klärt und zugleich Raum für den Nachwuchs lässt, der macht KI vom Hype zum Hebel.

Autor: Michael Braun

Checkliste zum Einsatz von KI-Agenten

Lohnt es sich für mich, KI-Agenten aufzusetzen? Diese Checkliste kann erste Ansätze liefern.

/ Use Case identifizieren

/ Leitlinien definieren

/ Recht und Risiko prüfen (klare Vorgabe des EU AI Act)

/ Verantwortlichkeiten im Team regeln

/ Zuverlässige technische Umsetzung, ggf. Partner identifizieren

/ Pilotieren und skalieren

/ Training sicherstellen (eine weitere EU AI Act Vorgabe)

/ Offene Kommunikation im Unternehmen wie auch gegenüber Partnern und Kunden

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