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Die Folgen der Digitalisierung sind längst nicht mehr zu übersehen und reichen bereits tief in den Unternehmensalltag hinein. Etablierten kleinen und mittleren Unternehmen fällt es oft besonders schwer, die Herausforderungen der digitalen Transformation zu meistern und das technologische Potential für Innovation jenseits einzelner Prozessverbesserungen zu nutzen. Das Forschungsprojekt bi.smart erprobt neue Ansätze, wie innovative, datenbasierte Dienstleistungen einen Mehrwert für Kunden schaffen können, indem IoT-basierte, „smarte“ Produkte entwickelt und mit flankierenden Dienstleistungen als Komplettlösung angeboten werden.

Entwicklung und Innovation folgen dabei einem nutzerzentrierten Ansatz, bei dem das Kundengespräch und ein daraus abgeleitetes Verständnis seiner Bedürfnisse den Anstoß für die Gestaltung und Realisierung von Produkten und Dienstleistungen gibt. Das Projekt befasst sich unter anderem mit Herausforderungen wie der frühzeitigen Berücksichtigung notwendiger technischer Komponenten wie Sensorik und Konnektivität im Produktdesign, der möglichen Monetarisierung des Geschäftsmodells, und der Einbindung von Partnerunternehmen in den Entwicklungsprozess. Die so entstehenden smarten Produkt-Service-Systeme (PSS) können so für Anbieter und Kunden einen echten Mehrwert darstellen und den Unternehmen den Weg ins digitale Zeitalter ebnen.
Aber wie kann das gelingen? Mit dieser Frage beschäftigen sich seit März 2021 sechs Unternehmen und drei Forschungsinstitute. Fünf Anwendungspartner (Alfred Kiess GmbH, Friedrich Lütze GmbH, Precitec GmbH & Co. KG, Trelleborg Sealing Solutions Germany GmbH, Unicorn Energy AG) aus unterschiedlichen Branchen werden bei ihrer individuellen Pilotprojekt-Entwicklung mit wissenschaftlicher Expertise zu digitalen Dienstleistungen (Karlsruher Institut für Technologie (KIT) – Karlsruhe Service Research and Innovation Hub), Produktentwicklung (Universität Stuttgart – Institut für Konstruktionstechnik und Technisches Design) und Arbeitsorganisation (Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO) begleitet. Die EDI GmbH steht für die technische Umsetzung der Pilotprojekte sowie der Projektergebnisse in Form einer interaktiven Web-Applikation bereit.

Wie kundenzentriertes Denken die traditionelle Entwicklung verändert – fünf Anwendungsbeispiele

Die Alfred Kiess GmbH hat sich bereits in den vergangenen 80 Jahren von einer traditionellen Schreinerei zu einem modernen Innenausbauexperten gewandelt. Im Projekt bi.smart entwickelt Kiess nun ein intelligentes System, das Holz und Sensorik zu intelligenten, modularen und flexiblen ESD (Electro Static Discharge) Bodenelementen kombiniert. Ursprüngliche hatte die Alfred Kiess GmbH ein Pilotprojekt im Sinn, welches die digitale Kollaboration mit den am Herstellungsprozess beteiligten Partnern ermöglichen sollte. Durch die anfängliche Analyse der derzeit bestehenden Kundenbedürfnisse in bi.smart entwickelte das Unternehmen jedoch schnell einen völlig anderen inhaltlichen Fokus.
Diese Analyse zeigte, dass die Übertragung elektrostatischer Ladung auf empfindliche Elektrogeräte zu schweren unerkannten Schäden führen kann. In den geplanten smarten ESD-Böden wird Sensorik und Daten-Auswertung helfen, Fehler frühzeitig zu lokalisieren und zu interpretieren und damit kostenintensive Schäden und Totalausfälle zu verhindern. Eine der Herausforderungen besteht derzeit darin, durch prototypische Tests geeignete Sensoren zu finden, die den technischen und kaufmännischen Anforderungen genügen. Die damit verbundene Datenerfassung und -aufbereitung sowie Bereitstellung am künftigen Zielort bedeutet für die Alfred Kiess GmbH ein hohes Maß an Innovation, war diese Branche doch bisher eher auf digitale Prozessunterstützung beschränkt.

Smartes PSS für Schaltschränke

Ein anderes Anwendungsfeld hat die Friedrich Lütze GmbH ausgemacht. In dem Traditionsunternehmen dreht sich alles um elektronische und elektrotechnische Lösungen für die Automatisierung. In dem Pilotprojekt in bi.smart entwickelt die Friedrich Lütze GmbH nun ein smartes PSS für Schaltschränke. Wärmeerzeugende Komponenten im Schaltschrank müssen oft durch energieintensive externe Kühlsysteme vor Überhitzung geschützt werden. Durch den Einsatz von Sensorik und digitaler Technologien soll neben einer möglichen optimierten Bauteilanordnung insbesondere eine Eigenlüftung innerhalb des Schaltschranks gesteuert werden, um Wärmezentren zu vermeiden und so einen möglichst energieeffizienten Einsatz der Klimatisierung zu gewährleisten. So vielfältig wie die an diesem Projekt beteiligten Akteure sind, so vielschichtig sind auch die Ziele: Das Sammeln von Informationen über den Zustand der verbauten Teile, die Verlängerung der Lebensdauer der eingesetzten Komponenten und natürlich die nachhaltige Nutzung von Energie mit der daraus resultierenden Kostenreduktion. Im letztlichen Geschäftsmodell wird eine Herausforderung darin bestehen, die verschiedenen Entscheidungsträger beim Kunden (z.B. Anlagenplaner und Anlagenbetreiber) mit den für sie relevanten Zielparametern anzusprechen. Welches Argument und mit welcher Gewichtung ist schlussendlich ausschlaggebend für die Auftragsvergabe?

Pilotanwendung zu Laserschneidköpfen

Die Pilotanwendung der Precitec GmbH & Co. KG konzentriert sich auf Laserschneidköpfe und deren „Gesundheitszustände“. Precitec ist ein hochdynamisches, weltweit agierendes Unternehmen für Lasertechnik und 3D-Messtechnik. Mit Hilfe eines KI-basierten Analysesystems sollen Sensor- und Prozessdaten gesammelt und ausgewertet werden, die Rückschlüsse auf den Zustand der Laserschneidköpfe erlauben. Eine darauf aufbauende vorbeugende Wartung reduziert die Kosten für Ausfallzeiten. Darüber hinaus erleichtert eine automatische Anpassung der Steuerung an erwartbare Präzisionsabweichungen die Einhaltung von Qualitätsstandards.

Dichtung mit smarter Sensor-Technologie

Die Trelleborg Sealing Solution Germany GmbH bietet weltweit Polymerlösungen an, die in anspruchsvollen Umgebungen dichten, dämpfen und schützen. Diese Dichtungen werden in Komponentensystemen wie z.B. Hydraulikzylindern von anderen Anbietern weiterverarbeitet, bevor diese in einem Endprodukt zum Einsatz kommen. Im Rahmen des Pilotprojekts steht Trelleborg daher vor der Herausforderung, eine Dichtung mit smarter Sensor-Technologie anzureichern und den späteren Zugriff auf die Nutzungsdaten zu ermöglichen. Insbesondere hydraulische Systeme stellen hohe Anforderungen an Dichtungen, weshalb sich Trelleborg im bi.smart-Projekt auf dieses Segment konzentriert. Ein kritischer Aspekt bei dieser Pilotentwicklung ist das komplexe Wertschöpfungsnetzwerk im Bereich der Hydrauliksegmente, weshalb die Entwicklung eines geeigneten Geschäftsmodells für mehrere Parteien im Ökosystem einen Schwerpunkt für bi.smart darstellt.

Anwendungsfall für die Batteriesysteme im Kontext Smart Service

Bei der Unicorn Energy AG dreht sich alles um die nachhaltige Energieerzeugung und -nutzung. Im Jahr 2011 als Start-up gegründet, agiert die Unicorn Energy AG heute als innovativer Player in einem Zukunftsmarkt. Als Anwendungsfall für das Pilotprojekt wurde zunächst die intelligente Überwachung einer Heimspeicherlösung gewählt. In intensiven Gesprächen mit der Zielgruppe zeigte sich jedoch schon früh, dass ein anderer Anwendungsfall für die Batteriesysteme im Kontext Smart Service mehr Potential bietet: die unterbrechungsfreie Stromversorgung, die ebenfalls von Unicorn angeboten wird. Durch Fernüberwachung und proaktive Wartung kann Unicorn die Verfügbarkeit der Batterien im Falle eines Stromausfalls sicherstellen, ohne dass ein Elektriker das System regelmäßig vor Ort überprüfen muss. Neben der technologischen Innovation muss nun aber auch ein geeignetes Geschäftsmodell geschaffen werden, das – wie die Produkte selbst – zukunftsfähig und nachhaltig ist.

Launchpad als Möglichkeit zum Self-Assessment

Die EDI GmbH als Technologieanbieter unterstützt die einzelnen Pilotprojekte und setzt in bi.smart das webbasierte SMARTSYSTEM Lauchpad um, das interessierten Unternehmen nicht nur eine Möglichkeit zum Self-Assessment bieten soll, sondern auch Empfehlungen gibt, wie der Weg zum eigenen smarten PSS gelingen kann. Parallel dazu arbeiten die wissenschaftlichen Partner an einem Referenzvorgehensmodell für die integrierte Entwicklung von smarten PSS, um wichtige Entwicklungsschritte methodisch zu unterstützen und Empfehlungen für verschiedene Szenarien abzuleiten. Die Arbeitsgruppen zu den Themen Geschäftsmodelle/Plattformökonomie, Daten/Konnektivität, Sensoren und Arbeitsorganisation spiegeln die wesentlichen Aspekte wider, mit denen sich das Konsortium beschäftigt. Das bi.smart Projekt wird von assoziierten Partnern begleitet, die mit ihrem Netzwerk und ihrer Expertise bereichernde Impulse geben und das Gelingen unterstützen. Das Forschungsprojekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und durch den Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut.

Wer mehr zum Projekt und der integrierten Entwicklung von smarten PSS erfahren möchte, kann die Projekt-Website unter www.bismart.info besuchen oder direkt Kontakt mit dem Projektteam auf nehmen: Ansprechpartner beim Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist Daniel Heinz, erreichbar unter E-Mail: daniel.heinz@kit.edu.

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