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Die letzte Meile ist längst mehr als ein logistisches Detail am Ende einer Lieferkette. Für technische Dienstleister und den Kundendienst ist sie ein zentraler Leistungsfaktor, der über Kundenzufriedenheit, Verfügbarkeit und im Zweifel über wirtschaftliche Schäden entscheidet. Während der Einzelhandel mit dem Anspruch schneller Lebensmittellieferungen ringt und Paketdienste täglich Millionen Sendungen durch die Innenstädte bewegen, steht der technische Service unter einer besonderen Erwartungshaltung: Es geht nicht um Bequemlichkeit, sondern um die unmittelbare Sicherung betrieblicher Abläufe. Wenn eine Anlage steht, zählt nicht der Zeitvorteil eines Stundenfensters, sondern die Fähigkeit, das richtige Teil zur richtigen Zeit am richtigen Ort verfügbar zu machen.

Damit spitzt sich im technischen Service das zusammen, was in der allgemeinen Logistik bereits zu spüren ist: Die letzte Meile ist teuer, komplex und operativ anspruchsvoll. Sie verursacht den größten Anteil der gesamten Lieferkosten und wird gleichzeitig von steigenden Kundenerwartungen überlagert. Der klassische Dreiklang aus Kosten, Zeit und Verfügbarkeit ist heute nur noch durch intelligente Planung, flexible Infrastruktur und datenbasierte Prozesse beherrschbar. Während Handel und Paketlogistik durch Mengen, Zeitdruck und Ressourcenengpässe gefordert sind, verschärft sich die Situation im technischen Service durch unplanbare Störungen, ad-hoc Einsätze und die enorme Bedeutung der First-Time-Fix-Quote. Ein fehlendes Ersatzteil kann einen ganzen Einsatzplan kippen und stillstehende Wertschöpfungsketten verlängern.

Pilotprojekte schnell in die Praxis überführen

Neue Lösungen entstehen an mehreren Fronten gleichzeitig. Die Pilotprojekte im Lebensmittelhandel zeigen, wie autonome Fahrzeuge in reale Lieferprozesse integriert werden können. Das REWE-Projekt mit LOXO in Bochum ist hierfür ein vielbeachtetes Beispiel. Dort wird ein hochautomatisiertes Lieferfahrzeug im Realbetrieb getestet, eingebettet in die bestehende E-Commerce-Infrastruktur. Es geht dabei weniger um die Frage, ob autonomes Fahren technisch machbar ist – das beweisen Einsätze wie in der Schweiz bereits heute – sondern darum, welche Auswirkungen solche Systeme auf Effizienz, Kostenstruktur und operative Stabilität haben. Die Erkenntnisse solcher Tests sind besonders für technische Dienstleister relevant, denn autonome Lösungen eröffnen neue Optionen für dezentrale Teileversorgung, Rendezvous-Konzepte zwischen Fahrzeugen oder dynamisch verschiebbare Übergabepunkte.

Parallel dazu professionalisiert sich die Infrastruktur der Paketlogistik in rasantem Tempo. Paketstationen, Lockersysteme und Micro-Hubs haben sich längst als massentaugliche Modelle etabliert. Sie reduzieren Wege, bündeln Lieferströme und entlasten Innenstädte. Für den technischen Service entsteht hier ein strategischer Vorteil: Ersatzteile müssen nicht mehr zwingend aus zentralen Lagern per Overnight-Lieferung kommen, sondern können über regionale Mikrodepots, geteilte Lagerbestände oder mobile Abholpunkte intelligent verteilt werden. Nachtlogistik, In-Night-Delivery und rollende Locker-Konzepte entwickeln sich zu relevanten Bausteinen, um Technikerinnen und Technikern genau die Teile bereitzustellen, die sie für einen erfolgreichen Ersteinsatz benötigen. Bei uns im KVD gibt es bereits viele gute Beispiele von Partnern und Mitgliedsunternehmen.

Der springende Punkt aus meiner Sicht ist: Während in der öffentlichen Diskussion häufig autonome Fahrzeuge, Roboter oder Drohnen als spektakuläre Zukunftsbilder dominieren, liegt der wahre Hebel für technische Dienstleister in der intelligenten Einsatz- und Materialplanung. Moderne Software ermöglicht es, Techniker, Kundenanforderungen, Routen und Teileverfügbarkeit in einem integrierten System abzubilden – davon haben wir einiges im letzten November auf unserem Service Congress gesehen. Predictive-Maintenance-Ansätze verbinden den Zustand einer Anlage direkt mit der Teilebevorratung, sodass die Logistikkette bereits startet, bevor ein Ausfall entsteht. Wer hier früh investiert, schafft sich einen Vorsprung, der weit über die Optimierung einzelner Touren hinausgeht. Denn technische Serviceorganisationen konkurrieren nicht nur über Preise oder Reaktionszeiten, sondern zunehmend über Zuverlässigkeit, Transparenz und die Fähigkeit, Stillstand zu vermeiden.

Lösungen für die letzte Meile

Aus meiner Sicht wird die Zukunft der letzten Meile im Service vor allem durch eines geprägt sein: Zusammenarbeit. Die Herausforderungen lassen sich weder durch einzelne Fahrzeuge noch durch isolierte Optimierungsschritte lösen. Notwendig sind geteilte Infrastrukturen, gemeinsame Hubs, partnerschaftliche Modelle mit Logistikdienstleistern und datengetriebene Plattformen, die den Austausch zwischen Herstellern, Serviceorganisationen und Kunden ermöglichen. Je stärker der Fokus auf integrierte Serviceketten liegt, desto besser gelingt es, Effizienz, Nachhaltigkeit und Qualität miteinander zu verbinden.

Für mich ist die letzte Meile im technischen Service die entscheidende Meile. Sie ist das Rückgrat einer modernen Serviceorganisation und der Hebel, um Kundenerwartungen nicht nur zu erfüllen, sondern über die gesamte Lebensdauer einer Anlage hinweg zu übertreffen. Wer sie konsequent neu denkt, verschafft sich nicht nur operative Vorteile, sondern stärkt die Zukunftsfähigkeit seines gesamten Geschäftsmodells. Dabei wollen wir unseren Mitgliedsunternehmen im KVD helfen.

Carsten Neugrodda, KVD Geschäftsführer

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