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Wir reden im Service viel über Werte – aber gelebt werden sie oft nicht. In der schönen neuen Arbeitswelt hängt alles an Kultur: Motivation, Loyalität, Recruiting, sogar Kundenzufriedenheit. Aber seien wir ehrlich: Zwischen Plakat und Praxis klafft eine große Lücke. Wer heute in Service-Organisationen führt, braucht mehr als Prozesse und PowerPoint. Der braucht Haltung. Und zwar eine, die sichtbar ist, und das jeden Tag.

Es ist schnell gesagt und noch schneller plakatiert: „Wir leben Vertrauen“, „Respekt ist die Basis“, „Teamwork macht den Unterschied“. Doch schauen wir in den Alltag, bleibt von dieser Werte-Poesie oft nur wenig übrig. Meetings voller Mikromanagement, Feedbackgespräche als Pflichtübung, Entscheidungen ohne Einbindung. Der Kontrast zwischen kommunizierten und gelebten Werten ist nicht nur frustrierend – er ist gefährlich. Denn die Zahlen lügen nicht: Laut Umfragen sagen 80 % der Mitarbeitenden, dass ihnen Werte persönlich wichtig sind – aber nur 44 % erleben diese auch im Alltag – wir haben das im aktuellen KVD Weekly intensiv diskutiert.

Ich finde: Wir brauchen keine neuen Werte-Workshops. Wir brauchen ein neues Führungsverständnis. Eines, das den Satz „Walk the Talk“ endlich ernst nimmt. Wer Führung übernimmt, übernimmt Verantwortung für die Kultur. Das heißt: Werte vorleben – nicht verwalten. Haltung zeigen – nicht verwässern. Entscheidungen treffen, die unbequem sind, wenn sie der Kultur dienen. Und klare Kante zeigen, wenn jemand gegen diese Kultur arbeitet – egal, wie wichtig der- oder diejenige fachlich sein mag.

Ich habe es in meinem Führungsalltag immer wieder erlebt: Mitarbeitende orientieren sich nicht an Strategiepapieren, sondern an Verhalten. Nicht an dem, was Führungskräfte sagen, sondern daran, was sie tun. Wer Vertrauen predigt und gleichzeitig Kontrolle lebt, oder wer Wertschätzung fordert, aber Lob vergisst, verliert. Wer Haltung verlangt, aber bei Konflikten wegschaut, ist bald auf verlorenem Posten.

Für mich ist das „Verlieren“ hier sogar wörtlich zu nehmen. Der Gallup Engagement Index zeigt: Mitarbeitende mit geringer emotionaler Bindung kosten die deutsche Wirtschaft jährlich 167 Milliarden Euro. Und ein Großteil dieser Entkopplung beginnt genau dort, wo Werte zum Lippenbekenntnis verkommen. Umgekehrt funktioniert es auch: Wer Werte sichtbar macht, gewinnt – Menschen, Vertrauen, Performance. Die Führungskraft, die nicht nur erzählt, sondern zuhört. Die nicht nur Prozesse freigibt, sondern Rückendeckung gibt. Die morgens durch die Abteilung geht und ehrlich fragt: „Wie geht’s dir heute?“ – die schafft Loyalität, und das sogar nachhaltig.

Was das mit Service zu tun hat? Alles. Denn Service ist Beziehung. Und Beziehungen brauchen Orientierung. In Zeiten von KI und Self-Service wird der menschliche Faktor zum entscheidenden Unterschied – wir haben es zum Beispiel im KVD TrendRadar diskutiert. Die besten Prozesse bringen nichts, wenn das Team innerlich gekündigt hat. Der beste Chatbot beeindruckt keinen Kunden, wenn im Hintergrund die Kultur kippt. Darum ist Haltung kein Add-on, es ist die Basis. Führungskräfte dürfen nicht warten, bis HR ein Werteprojekt startet. Soe müssen anfangen, Werte zu leben. Wir haben dazu auch einen ausführlichen Themen-Newsletter erstellt, den ich jedem ans Herz legen möchte – mit wichtigen Tipps, Studien-Ergebnissen und Erfahrungen.

Ja, das so zu leben wie beschrieben, kann anstrengend sein, vor allem zum Start. Aber es macht auch den Unterschied: Zwischen Team und Zweckgemeinschaft zum Beispiel, oder zwischen Loyalität und Dienst nach Vorschrift. Am Ende ist es ganz einfach: Wenn wir aus Mitarbeitenden Fans machen wollen, müssen wir ihnen etwas bieten, an das sie glauben können. Und das beginnt bei gelebter Haltung – nicht bei Hochglanzwerten an der Wand.

Autor: Carsten Neugrodda, KVD-Geschäftsführer

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