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Offene Grenzen, Globalisierungsbewegungen in Gesellschaft und Wirtschaft, grenzübergreifende Kooperations- und Forschungsprojekte – die Internationalisierung des Service ist in vielen Bereichen zu spüren. Unternehmen können sich nicht nur auf einen regionalen oder nationalen Markt konzentrieren, sondern müssen sich weltweit öffnen. Doch wie geht man als Service-Manager:in hier am geschicktesten vor? Und wie arbeitet man mit den sich abzeichnenden Veränderungen, die sich gerade international durch die Digitalisierung ergeben? In der Serie „Internationales Service-Management“ werden Service-Organisationen mit einem multinationalen Blick vorgestellt. Im Mittelpunkt stehen neue Strategien und länderspezifische Besonderheiten, die sich im täglichen Service-Geschäft ergeben. In dieser Ausgabe stellt ServiceToday-Redakteur Michael Braun den Service-Techniker Heiner Willim vor, der für ABP Induction weltweite technische Anlagen in Betrieb nimmt und den die Corona-Pandemie in besonderer Art und Weise betroffen hat.

Dass die ABP-Ingenieure und -Techniker viel in der Welt unterwegs sind, um ABP-Anlagen aufzubauen, in Betrieb zu nehmen und zu warten, ist nichts Ungewöhnliches. Dass aus einem Einsatzauftrag fast zwei Jahre fern der Heimat werden, ist in jeder Hinsicht bemerkenswert. Es ist die Geschichte von Heiner Willim, der im Dezember 2019 nach China aufbrach, um dort die Montage einer ABP-Anlage vorzubereiten.
„Am 7. Januar 2020 sind wir mit den Arbeiten gestartet, am 24. Januar 2020 gab’s die ersten Coronabeschränkungen – unsere Arbeit war damit direkt wieder stillgelegt“, erzählt Heiner Willim. Ursprünglich sollte bei einem Kunden in der chinesischen Stadt Fuding in der Provinz Fujian ein Induktionserwärmer vom Typ TSH 10 mit 36 Megawatt Leistung in Betrieb genommen werden. Doch bis zum 10. März wurden die Grenzen in der Provinz Fujian geschlossen, man durfte nicht mehr auf die Straße, nichts ging mehr. „Vor Ort brach Chaos aus, die Baustelle lag brach, die benötigen Spezialisten waren nicht vor Ort, so dass wir die Montage und Inbetriebnahme vorerst nicht vornehmen konnten“, erzählt der erfahrene Techniker.
Erst am 15. März wurde die Baustelle unter strengen Covid 19-Einschränkungen doch wieder geöffnet. Die Montagearbeiten konnten mit geringer Montagemannschaft wieder aufgenommen werden. Reisen waren zu dieser Zeit im ganzen Land streng untersagt und nur mit Sondergenehmigung erlaubt, in manchen Provinzen weiterhin gänzlich verboten. Die Grenzen zum Ausland wurden ab 28. März geschlossen.
Dann wurde Heiner Willim selbst krank. „Ich hatte erhöhte Temperatur und starke Schmerzen, es war aber kein Corona, sondern eine Rippenfellentzündung.“ Nur – Hilfe zu organisieren, unter den Bedingungen mit der Aufregung um Corona, das war nicht so leicht. Der Kunde stellte Heiner Willim einen Dolmetscher zur Seite, der bei der Aufnahme ins Krankenhaus helfen konnte. Der ABP-Techniker benötigte auch eine Bescheinigung, dass er virusfrei ist. „In China läuft ja alles über WeChat ab – da wurde zu der Zeit sogar der Status festgehalten, in welchen Bereich einer Stadt man hineindurfte.“ Heiner Willim kam zunächst in ein Fünf-Bett-Zimmer, dann in ein Drei-Bett-Zimmer. „Die Organisation im Krankenhaus in China läuft anders als in Deutschland. Dort muss man seine Medikamente zum Beispiel vorab kaufen, bevor sie verabreicht werden. Auf einer Infotafel sieht man immer, welche Mitarbeiter gerade Dienst haben und für die Patienten ansprechbar sind. Auch um meine Wäsche und tägliche Speisen zu kaufen, musste sich noch gekümmert werden, ich war ja zunächst einmal auf mich allein gestellt. Aber – das Team im Krankenhaus war wirklich nett und stand jederzeit helfend zur Seite.“ Die Krankenschwester, die Ärzte – alle seien immer ansprechbar gewesen. Nach drei Tagen ging es ihm schon spürbar besser, nach elf Tagen war wieder alles gut, so dass er das Krankenhaus verlassen konnte. Heiner Willim bedankte sich im Nachgang mit einem Blumenstrauß und einer Videobotschaft für das Mediziner-Team.
Im Juni konnten dann alle wieder auf die Baustelle zurückkehren für die nächsten Arbeiten. Weitere Experten aus dem Ausland konnten jedoch nicht hinzugezogen werden – es bestand weiterhin keine Möglichkeit, ins Land zu kommen. Die Arbeiten selbst kamen schleppend voran, weil relevante Teile

für die Anlage fehlten. Sie sollten ausgerechnet aus Wuhan kommen, dem mutmaßlichen Ursprung des Corona-Virus‘. Die Stadt war weiterhin voll gesperrt.
Ende Juli 2020 startete die nächste Installation eines ABP Induktionserwärmers vom Typ TSH 12 mit 36 MW bei Rizhao Steel in der Provinz Shandong. Hier wurde die dringende Priorität aufgestellt, diese ESP Linie so schnell wie möglich aufzubauen und in Betrieb zu setzen. Anfangs konnten wegen der Schließung der internationalen Grenzen nur Fachleute von Primetals Shanghai und ABP Shanghai das Projekt unterstützen. Erst Ende September 2020 durften dann die ersten ausländischen Experten wieder einreisen, Quarantäne inklusive.
„Am 21. November 2020 ging dann unsere Anlage tatsächlich in Betrieb und der ‚First Coil‘ wurde produziert“, erinnert sich der ABP-Experte. Die anstrengende, harte Arbeit mit erfolgreicher Produktion war ein riesiger Erfolg nicht nur für ABP, sondern auch für alle beteiligten Teams. Anfang Dezember 2020, nach fast einem Jahr in China, sei dann im Prinzip eine gute Zeit gewesen, um zurück zur Familie zu fliegen. „Ich hatte alle ja ein Jahr lang nur über Video gesehen, war inzwischen Opa geworden, wollte mein Enkelkind sehen. Aber es kam anders“, erzählt er. Denn in China stand eine weitere Kundenanlage vor der Installation und Inbetriebnahme. „Es herrschte aber wieder Lockdown, Experten aus dem Ausland konnten gar nicht einreisen oder nur unter erschwerten Bedingungen. Und ich war ja immer noch im Land. Also habe ich die nächste Anlage übernommen.“
Ab Februar 2021 ging’s für ihn auf einer Baustelle in Wu’an weiter, in der Provinz Hubei für die nächste TSH10 36MW Anlage. „Wir haben Tag und Nacht gearbeitet, um den zugesagten Termin einhalten zu können. Am 6. April 2021 sollte hier der ‚First Coil‘ produziert werden. „Jeden Tag gab es eine Besprechung mit dem Kunden, bei dem wir auf die Zahlen der Anlage geschaut haben“, erklärt er. Eine Auslastung von über 95 Prozent war zugesagt worden, und mit dem Justieren der Anlage erreichte man schließlich 95,7 Prozent. „Die neue Linie hat gezeigt, was sie kann. Der Erfolg war da, der Kunde zufrieden, und ich blieb bis zur Endabnahme der kompletten Linie.“ In der Zwischenzeit, am 16 August 2021, wurde auch die ABP Induktionsanlage TSH10 für ESP Linie in Fujian mit „First Coil“ erfolgreich in Betrieb genommen.
Am 15. Dezember 2021 saß er dann wieder im Flieger nach Deutschland, nach knapp zwei Jahren konnte er seine Familie wieder in die Arme schließen, sein Enkelkind zum ersten Mal in der Realität sehen. „Das waren sicher große Opfer, die ich gebracht habe, aber der Job ist meine Leidenschaft. Man muss sich als Unternehmen auf seine Mitarbeiter vor Ort zu 100 Prozent verlassen können, gerade in unserem Job. Und mir ist das genauso wichtig, deswegen war die Entscheidung, zwei Jahre in China zu bleiben, auch aus heutiger Sicht noch richtig.“