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Unser aktuell vorherrschendes, auf Wachstum ausgelegtes Wirtschaftssystem ist durch eine lineare Produktwirtschaft geprägt, was auch als „take-make-dispose System“ bezeichnet wird. Ziele sind immer kostengünstigeren Produktionsmöglichkeiten und kürzere Innovationszyklen, so dass insbesondere im Bereich Consumer Electronics immer schneller und mehr Geräte auf den Markt gebracht werden können, die nicht für eine lange Nutzung ausgelegt sind. Als Konsequenz steigt das weltweite Aufkommen von Elektroschrott kontinuierlich an und erreichte im Jahr 2019 einen Rekord von 53.6 Millionen Tonnen. Für das Jahr 2030 werden bereits 74 Millionen Tonnen prognostiziert. Demzufolge ist Elektroschrott der am schnellsten wachsende Haushaltsabfallstrom weltweit1

Bausteine der Circular economy.
Bausteine der Circular economy. (Foto: Adobe Stock)

Einen alternativen Ansatz zur vorherrschenden linearen Wirtschaft bildet die Circular Economy. Anstelle einer linearen Führung von Stoffströmen und Produkten wird eine Kreislaufführung angestrebt, mit dem Ziel, Produkte und Komponenten möglichst lange in der dargestellten Kreislaufführung zu halten, Ressourcen zu schonen und damit die Nachhaltigkeit der Geräte zu verbessern. Eine Lebensdauerverlängerung um ein Jahr bei allen in die EU befindlichen Smartphones, Waschmaschinen, Laptops und Staubsauger führt zu einer Reduzierung des CO2-Austoßes um bis zu 4 Millionen Tonnen2. Genau diese Lebensdauerverlängerung ist das Ziel des Forschungsprojektes EffizientNutzen, welches von Forschern der TU Braunschweig, TU Clausthal, sowie den Industriepartnern RITTEC, TEQPORT, CER und Bosch durchgeführt wird.

Das Projekt fokussiert die Verlängerung der Produktnutzung durch die Förderung von Wiedervermarktung von Gebrauchtgeräten und insbesondere durch die Stärkung von Reparatur. Für Letzteres wurde eine projektbegleitende Reparaturstudie am Hildesheimer Bosch Standort durchgeführt, deren Erkenntnisse in diesem Artikel weiter beleuchtet und vorgestellt werden. Die Studie wurde als markenunabhängige Praxisstudie durchgeführt, wobei die Studienteilnehmer ihre Elektrogeräte kostenfrei zu Bosch einschicken konnten, und erhielten dort einen kostenlosen Reparaturversuch. Insofern Ersatzteile für die Reparatur benötigt wurden und der Ersatzteilpreis unter 5 € lag, wurden die Kosten vom Projket getragen. Teurere Ersatzteile konnten zum Selbstkostenpreis über Bosch oder durch die Teilnehmer selbst beschafft werden. Die Studie wurde von einer begleitenden Umfrage unterstützt und war in zwei Teile aufgeteilt.

Im ersten Teil der Studie wurde zunächst die allgemeine Reparaturfähigkeit der eingesendeten Produkte durch ausgebildete Reparateure untersucht. Zu erwähnen ist, dass es sich nur um Bosch-fremde Produkte handelt, wodurch eine vergleichbare Situation zu anderen freien Reparateuren von der Ausgangsbasis und dem vorhandenen Wissen sichergestellt wurde. Prinzipiell wurde festgellt, dass von 382 durchgeführten Reparaturversuchen ca. 55%3 erfolgreich waren. Bei den eingesendeten Produkten handelte es sich vorwiegend, um Hifi/Audio-Geräte, Fernseher/Monitore und Spielekonsolen. Als Hauptmotivation für die Studienteilnahme wurden insbesondere folgende Gründe genannt:

• Fehlende Motivation die Reparatur selbst zu versuchen

• Kommerzielle Reparatur ist zu teuer

• Fehlende Reparaturangebote

Entsprechend lässt sich feststellen, dass die Kosten, sowie das Angebot ein entscheidender Faktor für die Reparatur in Deutschland sind. Bei einer durchschnittlichen Reparaturzeit von 5,5 Stunden kann festgestellt werden, dass eine Reparatur von günstigeren Geräten in einem Hochlohnland wie Deutschland in diesem Umfang nicht wirtschaftlich ist. Begleitende Umfragen haben eine Kundenakzeptanz von 20-40% des Neuanschaffungspreis für eine Reparatur gezeigt. 

Um einen wirtschaftlichen Kostenrahmen in Deutschland zu erreichen, müssen dementsprechend die Reparaturzeit verringert und neue Geschäftsmodelle entwickelt werden. Deshalb wurde sich im Rahmen des zweiten Teils der Studie mit einer Digitalisierungsstrategie und der Untersuchung weiter begleitender Geschäftsmodelle beschäftigt. 

Ähnlich wie bei bekannten Plattformen, wie IFIXIT (de.ifixit.com), wurde im Rahmen des Projektes eine Wissensdatenbank für Reparaturanleitungen und Best-Practices angelegt. Bei der Zielgruppe handelt es sich im Vergleich zu IFIXIT nicht um Privatanwender und -reparateure, sondern um ausgebildete Fachkräfte und freie Reparaturbetriebe, mit dem Ziel, die Reparaturzeiten massiv zu verkürzen. 

Mithilfe der Digitalisierungsstrategie und der Reparaturdatenbank konnten die Reparaturzeiten im zweiten Teil der Studie verbessert werden, sind aber weiterhin noch nicht wirtschaftlich.

Dennoch: Im Rahmen des Projektes wurde aufgezeigt, dass die Reparaturzeiten mithilfe von passenden Digitalisierungsstrategien deutlich reduziert werden können und überdies bilden diese Strategien auch die Grundlage für weitere neuartige Geschäftsmodelle. So kann das Wissen in Form von Reparaturanleitungen, die mit Ersatzteilen verknüpft sind, beispielsweise weiterverkauft, lizensiert und Fehlerquellen mit Big Data Ansätzen sowie künstlicher Intelligenz schneller identifiziert werden, sodass zukünftig noch weitere Potentiale erschlossen werden. 

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es durchaus möglich ist mehr Elektrogeräte zu reparieren, als es aktuell umgesetzt wird. Es bedarf aber noch weiterer Prozessoptimierung und neuer Strategien, finanzielle Anreize sowie politische Rahmenbedingungen um dies wirtschaftlich betreiben zu können. Wesentlich bleibt das für eine Lebensdauerverlängerung durch eine Reparatur Menschen in die Lage versetzt werden müssen, diese Reparatur vorzunehmen und benötigte Ersatzteile unkompliziert zur Verfügung zu stellen.

Sebastian Lawrenz, Steffen Blömeke, Jan-Felix Niemeyer, Sina Rudolf, Andreas Wenda, Barbara Vieths

/ LITERATUR

1 Forti, V.; Baldé, C.; Kuehr, R.; Bel, G. The Global E-Waste Monitor 2020. Quantities, Flows, and the Circular Economy Potential;International Solid Waste Association: Rotterdam, The Netherlands, 2020; ISBN 978-92-808-9114-0

2 Schweitzer, J.-P.; Zuloaga, F.; Anastasio, M.; Arditi, S. Coolproducts Don’t Cost the Earth: Full Report 2019; European Environmental Bureau: Brussels, Belgium, 2019

3 Rudolf, S.; Blömeke, S.; Niemeyer, J.F.; Lawrenz, S.; Sharma, P.; Hemminghaus, S.; Mennenga, M.; Schmidt, K.; Rausch, A.; Spengler, T.S.; Herrmann, C. Extending the Life Cycle of EEE—Findings from a Repair Study in Germany: Repair Challenges and Recommendations for Action. Sustainability 2022, 14, 2993. https://doi.org/10.3390/su14052993