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Wir kennen alle ein paar Witze, die diesem Schema entsprechen. Meist werden in der Folge kulturelle Unterschiede humoristisch aufgearbeitet. In der Geschäftspraxis sind Missverständnisse mit Menschen anderer Herkunft nicht immer amüsant und können sehr schlechte Auswirkungen haben. Es stellt sich die Frage, wie man eine internationale Serviceorganisation erfolgreich durch verschiedene kulturelle Fahrwasser manövrieren kann – und ob das überhaupt eigenhändig möglich ist.

Wer schonmal eine Zeit lang im Ausland gelebt hat, weiß wie umfassend die erforderlichen Anstrengungen sein können, wenn man sich in einem fremden Land einleben möchte. Denn trotz fortschreitender Globalisierung zeigen sich unterschiedliche Auffassungen nicht selten in nahezu allen Lebensbereichen. Und das gilt natürlich auch für das Geschäftsleben.

Servicekulturen bieten weitere Unterscheidungsmerkmale

Erschwerend kommt hinzu, dass es eben auch eine spezifische Servicekultur in anderen Märkten gibt, die zusätzlich potenzial für Missverständnisse bietet. Die Wahrnehmung und das Geschäftsgebaren im Kundendienst können im Ausland stark variieren. Es herrschen große Abweichungen in der Affinität zu Serviceleistungen, in den Kriterien, nach denen die Qualität der Serviceerbringung bewertet wird und in der Nutzenbewertung. Zudem gibt es noch eigentümliche Verfahrensweisen, die einem unbekannt sind. Diese Variationen lassen sich auch nicht immer mit den bekannten Eigenheiten der Länder erklären. Stattdessen können sie als  servicespezifisch verstanden werden. Soll heißen, die Unterschiede in der Servicekultur sind nicht immer mit den herkömmlichen Kulturmodellen zu erklären, mit denen wir die allgemeinen kulturellen Unterschiede beschreiben können. Die Unterschiede in den nationalen Servicekulturen sind nicht immer durch die nationale Kultur zu erklären.

Anerkannte Kulturmodelle erklären regionale Servicelandschaften nicht

Der Kulturwissenschaftler und Sozialpsychologe Geert Hofstede hat ein Kulturmodell entwickelt, das anhand der Dimensionen Machtdistanz, Individualismus, Männlichkeit/Weiblichkeit, Unsicherheitsvermeidung und langfristige Orientierung Unterschiede bewertet. Allerdings sind Kunden in China weitaus weniger am Abschluss von Serviceverträgen interessiert als in Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Obwohl sich die chinesische Kultur nach Hofstede eigentlich durch eine weitaus größere langfristige Orientierung und eine ausgeprägtere Unsicherheitsvermeidung auszeichnet. Es handelt sich dabei um  servicebezogene Eigenheiten, die nicht unbedingt mit dem allgemeinen Charakter einer Kultur zu erklären sind, sondern sich stattdessen unabhängig entwickelt haben. In der japanischen Servicekultur wird hingegen zum Beispiel sehr großer Wert daraufgelegt, dass die Ursache eines Problems gefunden und dem Kunden mitgeteilt wird. Ein amerikanischer Kunde würde sich eventuell manchmal einfach damit zufriedengeben, wenn der Störfall schnell beseitigt wurde. In Japan werden hingegen oft auch kleinste Störungen genauestens dokumentiert. Und es wird nicht so gerne gesehen, wenn ein Problem zweimal auftritt und nicht behoben wurde, selbst wenn es nicht so gravierend war. Solche Feinheiten in den Prioritäten, der Wertschätzung und den Verfahrensweisen fremder Servicekunden sind auch dann nicht immer vorherzusehen, wenn man sich mit Land und Leuten eigentlich ganz gut auskennt. Man muss eine Zeit dort im Service tätig gewesen sein, um einen Überblick zu bekommen.

Dezentralisierung im Kundendienst erzielt ein besseres Ergebnis

Aus den genannten Gründen muss man ab einem gewissen Umfang des Auslandsgeschäftes im Kundendienst über Dezentralisierung sprechen. Die Differenzen können in fremden Servicemärkten sehr gravierend ausfallen, weswegen es sinnvoll erscheint, auf die Expertise regionaler Fachkräfte zu vertrauen. Diese sollten dann auch nicht unbedingt an der kurzen Leine aus dem deutschen Firmensitz heraus gesteuert werden. Stattdessen gewähren Freiheitsgrade den Mitarbeitern vor Ort die Möglichkeit, auf die unterschiedlichen Anforderungen einzugehen. Bei der Entscheidung für die richtige Dezentralisierungsstrategie spielen wiederum interne und externe Faktoren eine Rolle. Unternehmensintern kann zum Beispiel die Ausrichtung des Marketings oder die eigene Unternehmensstruktur entscheidend sein. Beschränke ich mich etwa auf den Export oder verfüge ich bereits über Niederlassungen in den Zielländern? Unter externen Faktoren ist zu beachten, wie stark sich die Kultur eines Ziellandes von der eigenen unterscheidet. Hier ist wieder zu bedenken, dass es zwischen Nationen, die eigentlich nahe beieinander liegen, dennoch größere Unterschiede in der Servicekultur geben kann. Je größer der Graben, umso eher macht eine dezentrale, regionale Aufstellung Sinn. Zwischen zentraler und dezentraler Ausrichtung gibt es dabei natürlich noch unendlich viele Mischformen. In international agierenden Serviceorganisationen können bei der Implementierung von Mischformen aus globalen und lokalen Managementstrukturen Spannungen entstehen. Die lokalen Organisationen müssen in ihren Freiheitsgraden beschränkt sein, um ein einheitliches Vorgehen zu gewährleisten und gleichzeitig über ausreichend Handlungsspielraum verfügen, um regionalen Eigenheiten gerecht zu werden. Um sicherzustellen, dass Prozesse in den Landeseinheiten mit der globalen Strategie konsistent sind und effektiv funktionieren, sollten die Prozesse regelmäßig von zentraler Stelle hinsichtlich Strategiekonformität, Effizienz und Effektivität auditiert werden. Die gewonnenen Informationenkönnen dann genutzt werden, um entweder die globale Strategie zu stärken, indem sie angepasst und detaillierter wird, oder bei Bedarf lokale Prozesse zu entwickeln und zu optimieren.

Umgang mit Bewertungskriterien in internationalen Organisationen

Einheitliche Bewertungskriterien zu schaffen, ist nicht immer so leicht. Denn lokale Gegebenheiten führen eben auch zu einer verminderten Vergleichbarkeit. In Südkorea erwarten Kunden ein weitaus höheres Ausmaß an Kulanz im Servicegeschäft als auf dem deutschen Markt. Wenn Sie in ihrer globalen Strategie zum Ziel haben, die Kulanzquote zu senken, müssen Sie also bedenken, dass die beiden Werte zwischen den Ländern nicht unbedingt vergleichbar sind. Vielmehr muss man sich an Wettbewerbern und historischen Daten aus dem Zielland orientieren, um Optimie rungspotenzial zu bewerten. Wir müssen uns bewusst machen, dass kulturelle Unterschiede im Servicegeschäft international sehr umfangreich sind und einen großen Einfluss auf den Erfolg haben. Es ist schwierig, als Außenstehender einen Zugang zu fernen Märkten zu finden. Wann immer es möglich ist, sollte eben auf die Hilfe von Serviceexperten aus dem Zielland vertraut werden. Diese kennen die Branche in der Heimat und können eine große Stütze sein. Dabei trotzdem global ein einheitliches Bild zu vermitteln, stellt die Herausforderung dar, die wir meistern müssen.

ServicePodcast

Mit Dr. Simon Tonat ist auch die Folge des KVD ServicePodcast Strategien für Herausforderungen im Servicevertrieb“ dazu erschienen.

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Der Beitrag ist auch in unserer aktuellen digitalen Sonderausgabe der ServiceToday erschienen, welche kostenfrei verfügbar ist.

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