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Runter vom Land, rein in die Stadt: Es könnte so schön sein, wären da nicht Staus, Verkehrslärm, Feinstaubbelastungen und fehlender Parkraum. Der Handlungsbedarf zur Reduzierung des Verkehrsaufkommens in Städten und Ballungsräumen ist groß. Ideen dafür gibt es viele. Ein Vorschlag zur Entlastung der Innenstädte ist es, Waren und Güter bis zum Stadtrand per Schiene zu liefern und dann unterirdisch über ein Röhrensystem in die Städte hinein und wieder heraufzubefördern. Mit dem Konzept Smart City Loop ist das schon keine Zukunftsmusik mehr. Mit der Machbarkeitsstudie für die Stadt Hamburg wird untersucht, wie die Musik von morgen klingen wird.

Tag für Tag quälen sich tausende Lkw durch Straßen und über Brücken, die zum Teil für den Schwerlastverkehr gesperrt sind, um Lebensmittel, Pakete und andere Waren zu ihren Empfängern zu bringen. Um in Zukunft die Innenstädte weiterhin beliefern zu können, bedarf es innovativer Logistikkonzepte – darin sind sich Städte, Logistikdienstleister und Händler einig.
Was wäre, wenn Güterverteilzentren (GVZ) und City Hubs mit einer Röhre und einer entsprechenden Fördertechnik verbunden werden, über die Waren in kurzer Zeit und planbar in die Stadt hinein- und wieder herausbefördert werden könnten? Genau dieses Ziel verfolgt das Team beim Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML rund um das Projekt „Smart City Loop“ (SCL).
Röhren, die einen Durchmesser besitzen, um Euro- oder Industriepaletten aufnehmen zu können, werden über eine Fördertechnik Güter vollautomatisch und unterirdisch transportieren. Von einem GVZ am Stadtrand aus sollen die Waren die letzten vier bis sieben Kilometer bis in die Innerstadt zu einem City Hub befördert werden. Von diesem Verteiler aus wird zukünftig ohnehin die letzte Meile effizient, koordiniert und umweltfreundlich durch diverse E-Fahrzeuge bedient. Die City Hubs werden idealerweise neu geplante und gebaute Logistikimmobilien sein, können aber möglicherweise auch in bestehende Immobilien wie beispielsweise Parkhäuser oder Kaufhäuser integriert werden.
Im Fokus des gesamten Transports steht aber nicht nur die Warenversorgung, sondern auch die Entsorgung. Retouren, Transportverpackungen und Leergut werden im gleichen System aus der Stadt herausbefördert und am Stadtrand zum Weitertransport verladen.
Diese auf den ersten Blick womöglich utopisch anmutende Idee überrascht beim zweiten Hinsehen mit realistischen Plänen für die Umsetzung. Der Clou dabei: „Alle Technik, die wir benötigen, sowie die erfolgreiche vollautomatische Fördertechnik ist erprobt und State ob the Art in der Logistik“, so Smart-City-Loop-Chef Christian Kühnhold. Da geeignete Technik bereits vorhanden ist, ließen sich Zeit wie auch Entwicklungskosten sparen.

Konkrete Umsetzungspläne für Hamburg

In der Hansestadt Hamburg wird es derweil konkret: Für die durch SCL in Zusammenarbeit mit FourParx durchgeführte Machbarkeitsstudie hat das Fraunhofer IML untersucht, wie in einem ersten Schritt ein City Hub für den jeweiligen Umschlag ausgestaltet werden muss. Neben der Erkenntnis, dass die Flächen für den Umschlag tendenziell größer als angenommen sein werden, zeigte sich vor allem eines: Damit das Projekt eine reelle Chance hat, umgesetzt zu werden und langfristig Erfolg zu versprechen, müssen die Paletten so weit wie möglich in logistisch „richtiger“ Reihenfolge in die Röhre gegeben werden, da innerhalb der Stadt der Platz zum Sortieren der Waren schlicht nicht vorhanden oder zu teuer ist. Am Stadtrand ist das hingegen weniger problematisch. Die Anlieferung und Abholung der Waren am City Hub muss zudem sehr genau gesteuert werden, um Platzprobleme an den Ladeflächen und damit Verzögerungen im Betriebsablauf zu verhindern. Planung par excellence also.
Die DB Cargo AG hat im Rahmen ihrer Zukunftsstrategie einen Letter of Intent zur Zusammenarbeit mit der Smart City Loop GmbH gezeichnet. Insbesondere unterstützt DB Cargo die Umsetzung des Projektes in Hamburg mit vorhandenen technischem know-how und auch in strategischer Hinsicht mit dem Ziel der zeitnahen Inbetriebnahme. Weiterhin soll im Rahmen der Zusammenarbeit mit der

DB Cargo AG auch in anderen Großstädten der Einsatz des Konzeptes und deren mögliche Trassenführungen – auch unter dem Aspekt der Anbindung an das Schienensystem – identifiziert und auf Machbarkeit geprüft werden. Somit bietet sich die Chance, die Serviceleistungen der DB Cargo AG mit einer modernen, zukunftsträchtigen und umweltschonenden Technologie zum Warentransport zu verbinden, weiterzuentwickeln und umzusetzen.
Ergänzend zu dieser Vereinbarung wurde bereits vor Kurzem eine weitere wegweisende Kooperationsvereinbarung zur Umgestaltung der Warenlieferungen im Urbanen Raum geschlossen. Speziell für das Projekt in Hamburg hat sich ein großer internationaler Händler entschieden, das Projekt Smart City Loop in technischer – speziell bei der Ausgestaltung von Urban- und Cityhub – sowie auch politischer Hinsicht mit dem Ziel einer zeitnahen Umsetzung zu unterstützen.  Beweggründe waren u. a. die Chance, die Serviceleistungen mit einer modernen, zukunftsträchtigen und umweltschonenden Technologie zum Warentransport zu verbinden und weiterzuentwickeln.
Für Smart City Loop bietet diese Zusammenarbeit auf der anderen Seite auch eine gut kalkulierbare hohe Grundauslastung bei der Inbetriebnahme. Nicht nur für die Umgestaltung des Lieferverkehrs in Hamburg sind dies gute Nachrichten. Auch Investoren bietet dies eine weitere Sicherheit für ihr Investment.

Unterirdischer Transport bringt viele Vorteile

Wo liegen die Kosten? Kühnhold beziffert die Gesamtkosten für das ambitionierte Projekt in Richtung 100 Millionen Euro, je nach Länge der Röhre. Da Röhren viel länger abgeschrieben werden können als Gebäude, rechnet sich das Projekt, so Kühnhold. Alle Kunden werden eine Gebühr für den Transport einer Palette zahlen – ähnlich wie heute für Stauraum im LkW. Und das zu einem Preis, der vergleichbar mit den Kosten für Transportunternehmen ist. Auf diese Weise könnten täglich 5.000 Paletten verschickt werden.
Neben der Vermeidung erheblicher Mengen Kohlenstoffdioxid und Staub bringt der unterirdische Transport weitere Vorteile mit sich: Lärm, Staus und Unfälle in Ballungsräumen werden reduziert. Langfristig spart das Konzept im Vergleich zu herkömmlicher Infrastruktur Flächen, verkürzt Fahrzeiten für alle Verkehrsteilnehmer und verhindert Fahrverbote. Und auch Lieferunternehmen profitieren davon: Für sie bedeutet der unterirdische Warentransport und die digitale und  termingerechte Steuerung der Warenströme eine bessere Planbarkeit, die Erweiterung der Lieferzeiten auf außerhalb der Ladenzeiten und völlige Unabhängigkeit von oberirdischen Verkehrsstaus und Witterungsverhältnissen.
Und andere Städte interessieren sich auch für die unterirdische Warenversorgung – nicht nur aus Deutschland, auch aus dem europäischen Ausland liegen Anfragen vor. Durch die Vorgaben der Europäischen Kommissionen zur Mobilität in der Stadt (Urban Mobility Package) müssen Städte sich mit den folgenden vier Hauptthemen befassen: Stadtlogistik, Sicherheit im städtischen Straßenverkehr, Zufahrtsregelungen für den städtischen Raum (Urban Vehicle Access Regulations, UVAR) und intelligente Verkehrssysteme. Konzeptentwicklungen und -Implementierung im Rahmen eines regelmäßigen, kontinuierlichen Monitorings, Bewerten und Berichten ist eines der sieben Prinzipien für SUMPs (Sustainable Urban Mobility Plans).
Für das Projekt in der Stadt Hamburg steigen die Chancen für die Umsetzung. Smart-City-Loop-Chef Kühnhold weiß: „Der Wille aller Beteiligten ist groß, das Projekt zum Laufen zu bringen, weil es sich einfach logisch zwischen den Transport aus langer Distanz und letzter Meile einfügt.“ Für ihn persönlich ist aus dem „Was wäre, wenn“ längst ein „Das werden wir tun“ geworden. Der ambitionierte Zeitplan sieht eine Inbetriebnahme für 2026 vor. Es dauert also nicht mehr lange, bis jeden Tag 1.500 LKWs weniger auf Hamburgs Straßen sein werden.